Viele nehmen mein Anliegen, das Brustgeschirr als Trainingsutensil zu verwenden vorbehaltlos hin. Andere wollen es genauer wissen. Für mich persönlich ist das Brustgeschirr aus dem Training und aus der Hundehaltung allgemein nicht mehr wegzudenken!
Und das hat triftige Gründe:
Einerseits liegen die Gründe im gesundheitlichen, andererseits auch im verhaltensspezifischen Bereich.
Ein gut angepasstes Brustgeschirr schont die Halswirbelsäule unseres Hundes. Diese ist in ihrem Aufbau, der des Menschen sehr ähnlich. Wenn nun im Training mit einem (Ketten-) Halsband und noch dazu Leinenruck gearbeitet wird, kann es leicht passieren, dass der von Leine und Halsband ausgehende Druck genau zwischen zwei Wirbeln abgefangen wird und je nach Stärke und Häufigkeit der Einwirkung kann dies zu Bandscheibenverschiebungen führen.
Als liebende Hundebesitzer nehmen wir ja stark an, dass Hunde – so wie wir Menschen auch – Gefühle haben als auch Schmerz empfinden können. Dann stelle ich Ihnen nun folgenden Frage: Wie angenehm ist schon allein die Vorstellung (selbst ausprobieren ist jedoch immer erkenntnisreicher und einprägender), ein Halsband zu tragen und jemand würde von hinten (mehr oder weniger fest; mehr oder weniger abrupt, mehr oder weniger grundlos) daran rucken?
Ein gut angepasstes Brustgeschirr entlastet außerdem den Kehlkopf, die Halsschlagader, die Schilddrüsen und die Halsmuskulatur unseres Hundes. Das Halsband im Alltags- und vor allem im Trainingsgebrauch belastet diese Bereiche nachweislich immens: Durch den Zug eines Halsbandes werden sowohl der Kehlkopf, als auch die oberen Atemwege beeinträchtigt; daraus resultierend sind Kehlkopfquetschungen gar nicht so selten. Um sich dieser Beeinträchtigungen zu entziehen, spannt der Hund automatisch die Halsmuskulatur automatisch vermehrt an.
Klinische Studien dazu haben ergeben, dass die dadurch entstehenden Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule zu gleichen Symptomatiken wie beim Menschen führen: Kopfschmerzen, Schwindel, Schmerzen im Wirbelsäulenbereich.
Unser Hund kann aber nicht sagen: „Heute ist mir schwindelig und ich habe Kopfweh!“ Wie wird er sich dann äußern?
Verhaltensspezifisch betrachtet kommt dem Hals eine wichtige soziale Bedeutung in der taktilen Kommunikation zu:
- Berührungen an der Oberseite drücken in der Hundesprache Dominanz aus.
- Berührungen an der Unterseite dagegen Unterwerfung bzw. Subdominanz.
- Berührungen an der Seite sind nur guten Freunden (Pflegeverhalten) vorbehalten.
Auch beim Menschen ist der Hals eine empfindliche und gleichzeitig intime Körperregion. Wird dem Hund nun ein Halsband umgelegt, stumpft nach anfänglicher Verwirrtheit die Empfindsamkeit für diese Signale ab, da der Hund ja andauernd Impulse rund um den Hals erhält.
Viele Hunde versuchen nun dem unangenehmen Gefühl bzw. den damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu entkommen. In den meisten Fällen geschieht dies durch die Flucht nach vorne worin das Ziehen an der Leine nicht selten seinen Ursprung hat. Viele unwissende Menschen wollen ihrem Hund eben dieses Ziehen mit dem altbekannten Leinenruck abgewöhnen. Dies hat nun aber zur Folge, dass der Hund durch den Leinenruck einen unangenehmen Impuls an der Halsunterseite bekommt, der als plötzlicher Angriff interpretiert werden kann und neuerlich eine Flucht-nach-vorne-Reaktion auslösen kann. Ein Teufelskreis hat begonnen, der vom Menschen durch Gewalt und Zwang scheinbar gelöst werden kann (vermehrtes Leinenrucken – tagtäglich auf der Straße beobachtbar).
Durch den Wechsel auf ein Brustgeschirr, kommt es in vielen Fällen vor, dass der Hund von selbst weniger zieht, da der unangenehme Druck vom Hals genommen wurde. Mit einem entsprechenden Leinenführigkeitstraining, etwas Geduld und Konsequenz kann man nun auch ohne Leinenruck das Ziehen abgewöhnt werden.
Nicht zu verachten ist die Tatsache, dass dem Hund durch das Ziehen am Halsband der Kopf automatisch in die Höhe gerückt wird, was vom entgegenkommenden Hund als provokantes Verhalten erachtet werden kann und so sind Missverständnisse in der Hundebegegnung vorprogrammiert (Leinenaggression)! Mit dem Brustgeschirr hat ein Hund die Möglichkeit, den Kopf so zu senken, dass er dem Anderen signalisieren kann, dass er nicht auf Konflikte aus ist!
Ein weiterer Vorteil des Brustgeschirres für den Alltag: Durch den am Rücken liegenden Steg, lässt sich ein Hund viel besser und sicherer festhalten (vor allem bei langhaarigen Hunden – Halsband verschwindet oft in der Fellpracht). Man muss dem Hund auch nicht wie beim Halsband plötzlich in den Nacken fassen, was zu kommunikativen Missverständnissen in gewissen Situationen (Beispielsweise: in angespannten Hundebegegnungen) führen kann.
Ich hoffe, dass es keiner weiteren Argumente bedarf, um zur Einsicht zu gelangen, warum das Tragen eines Brustgeschirres für Hunde nicht nur wichtig, sondern unerlässlich ist und so freue ich mich über jedes Umstellen von Halsband auf ein Brustgeschirr nach dem Lesen dieser Zeilen!